Spätestens, seitdem Simon Whitlock vor einigen Jahren mit seinen selbst angefertigten Spitzen auf sich aufmerksam machte, gibt es eine Debatte um Spitzen. Die Streitfrage dreht sich darum, ob angeraute Spitzen erlaubt sein sollten. Das Argument der Kritiker ist einfach: Raue Spitzen zerstören das Dartboard wesentlich schneller, indem sie mehr Material herausziehen. Es muss schneller getauscht werden und verursacht dadurch Mehrkosten. Außerdem steigt so die Wahrscheinlichkeit, dass ein Dart nicht gut steckenbleibt. Die Darts Regulation Authority (DRA) hat nun im Januar neue Regeln herausgebracht, welche die Nutzung verschiedener Spitzen im professionellen Dartsport untersagt.
In ihren Regeln legt die DRA unter Punkt 5.1.2 fest, dass Spitzen nicht mehr erlaubt sind, die
- in einem Abstand von 15mm zum Ende der Spitze eine Rauheit von mehr als 18 auf der VDI 3400-Skala haben (mehr zur Skala findet ihr hier);
- an irgendeinem Teil innerhalb von 15 mm vom Spitzenende eine Rille, einen Grat oder eine andere Unterbrechung der Spitzenoberfläche aufweisen, außer einer Nut oder Diskontinuität, die im Allgemeinen parallel zur Länge des Punktes verläuft;
- innerhalb von 15mm zum Spitzenende dicker sind als 2,5mm;
- mit stumpfen oder flachen Oberflächen am Spitzenende und Spitzen, welche nach Meinung des Schiedsrichters das Board unverhältnismäßig beschädigen oder den Gegner benachteiligen
Zudem sind die Spieler dazu aufgefordert, mit den Turnierverantwortlichen zu sprechen, wenn sie sich nicht sicher sind, ob ihre Spitzen diese Anforderungen erfüllen. Das originale Regelwerk haben wir euch hier verlinkt. Doch was bedeuten diese Änderungen?
Zunächst mal: Jeder, der bislang eine geriffelte Spitze wie z.B. die beliebten Target Nano-Points gespielt hat, darf diese unter diesen Regeln nicht mehr spielen. Jedoch fehlen bislang Angaben, welche Modelle welcher Hersteller genau verboten sind. Denn um dies exakt zu bestimmen, müssen die Spitzen mit einem speziellen Vergleichsgerät getestet werden. Dort ist zu sehen, ob sie den unter oder über den Wert von 18 auf der VDI 3400-Skala liegen. Es ist zu hoffen, dass die Hersteller in Zukunft bei jeder Spitze diesen Wert mit angeben. Alternativ würde es auch eine gute Idee sein, dass die DRA oder die PDC ein Qualitätssigel für Spitzen herausgibt. So wüsste jeder Spieler, dass eine Spitze mit dem Siegel bedenkenlos genutzt werden darf. Bis dahin wird es aber wohl immer wieder Diskussion und Fragen geben. Denn gerade der vierte Punkt ist offen für Interpretation. Die Formulierung „nach Meinung des Schiedsrichters das Board unverhältnismäßig beschädigen oder den Gegner benachteiligen“ ist nicht sehr eindeutig. Es bleibt zu hoffen, dass hier noch weitere Klarstellungen erfolgen. Schließlich ist es ganz leicht, sich als Gegner benachteiligt zu fühlen.
Ob diese Regeln auch für eure lokale Liga gilt, müsst ihr selbst herausfinden. Viele orientieren sich an den Regeln der PDC. Daher ist davon auszugehen, dass bald fast überall unter diesen Regeln gespielt wird. Doch ganz ehrlich – was bringt die neue Regel eigentlich?
Hier streiten sich die Geister. Im Dartshop argumentierten wir bislang immer: Es ist wichtiger, dass der Dart gut steckt, als dass er mit einer rauen Spitze etwas mehr Sisal aus dem Board zieht. Langfristig möchte man gut Dart spielen – und nicht, dass ein Board zwar ewig hält, aber die Pfeile kaum stecken bleiben. Die neue Regel löst nämlich einen der Hauptgründe, warum viele Spieler mit den rauen Spitzen werden nicht: Die Unterschiedlichkeit der Dartboards. Die Sisalfasern, aus denen die Boards gemacht werden, sind ein Naturprodukt. Dies führt dazu, dass kein Dartboard 100% identisch ist. Ein Modell eines Herstellers kann durchaus kleinste Unterschiede aufweisen, z.B. in der Härte der gepressten Sisalfasern. Die Folge ist, dass einige glatte Spitzen nicht gut stecken bleiben. Ursache dafür ist neben den Spitzen natürlich auch die allgemeine Balance des Darts und der jeweilige Wurfstil. Nichtsdestotrotz gab es in der Vergangenheit immer wieder Kritik aus den Reihen der Profispieler an den Dartboards. Als beispielsweise die PDC von den Unicorn Elipcse HD2 Pro auf die Eclipse Ultra umstelle, beschwerten sich auch große Namen wie Adrian Lewis. Sie mussten teils geriffelte und längere Spitzen nutzen, um das gewohnte Steckbild zu erreichen.
Zu bemerken ist an dieser Stelle auch, dass die Abnutzung der Boards im TV oft schlimmer aussieht, als sie ist. Schließlich wird mit hochauflösenden Kameras auf ein stark ausgeleuchtetes Board sehr nah herangezoomt. Das verzerrt den Eindruck der Zuschauenden doch deutlich. Auch werden mit der Regel die Spieler:innen benachteiligt, die vorne auf der Spitze anfassen. Viele nutzen geriffelte Spitzen oder Mulden auf der Spitze (z.B. Rob Cross), um einen festen Griffpunkt zu finden. Zwar wird diesen Spieler:innen durch den Bereich der 15mm zum Spitzenende zum Teil Rechnung getragen – doch werden sicher einige dadurch Nachteile haben.
Alles in allem muss sich die Regel in der Praxis beweisen. Sie greift ein Problem auf, löst es aber nicht zu 100% zufriedenstellend. Fest steht, dass sich viele Spieler:innen und auch die Herstellerfirmen nun Gedanken machen müssen, welche anderen Wege es gibt, immer den perfekten Grip im Board zu haben.